Lamberts Tacheles
 

Hey, Bushido...

17. November 2011

Antwort an den deutschen Rapper Nr. 1!

Wohl keine öffentliche Person hat mehr für die Frauenbewegung getan als Alice Schwarzer. Diese Frau ist der verkörperte Feminismus. Das von ihr seit den späten Siebzigern herausgegebene Magazin "Emma" gilt als DAS Print-Organ der Emanzipation. Und auch den offenen Konflikt scheut sie nie. So ist zum Beispiel ihr "TV-Duell" mit Verona Pooth (damals noch Feldbusch) in der damaligen ZDF-Talkshow "Kerner" schon beinahe legendär.

In ihrem Kampf für die weibliche Gerechtigkeit verfällt sie jedoch auch oft in ein Männerbild, das wohl ebenso realitätsfern ist, wie die Rollenverteilung der deutschen Nachkriegszeit. So habe ich ihr Engagement für die BILD-Zeitung im "Fall Kachelmann" eher skeptisch bewertet. Für Schwarzer schien der Fall schnell "klar" zu sein und so stellte sie sich schon früh auf die Seite des Opfers - sicher eine zu einseitige Entscheidung. Rechtlich gesehen lag sie offensichtlich falsch.
So war ich skeptisch, als ich in meinem favoristierten, sozialen Netzwerk von ihrem offenen Brief an Bushido las. Um was sollte es da wohl gehen? Weitere Hassteraden gegen das aufgesetzte ("ghetto-mäßige") Frauenbild des Berliner "Gangsta-Rappers"? Gerade für Alice Schwarzer muss Bushido doch ein gefundenes Fressen sein. Und so habe ich ihr Essay mit gewisser Erwartung gelesen. Doch Frau Schwarzer überraschte mich zutiefst! Sie entdämonisiert Bushido auf eine so sagenhafte Art und Weise, dass es jedem Kerl die Tränen auf die Wangen treiben würde...... Entgegen der Erwartung tut sie endlich das, was in der Bushido-Diskussion der vergangenen Wochen immer fehlte: Sie deckt die Rolle auf und behandelt Herrn Anis Mohamed Youssef Ferchichi (sein bürgerlicher Name) eher als das, was er vermutlich ist: als einen kleinbürgerlichen Spießer. Ihr Brief ist großartig. An dieser Stelle möchte ich mir erlauben, den offenen Brief an dieser Stelle zu zitieren, verweise aber erneut gerne auf die Quellseite: www.aliceschwarzer.de:

*Hey Bushido,

als ich dich vor drei Jahren in meine Talkshow einlud, um mit dir über deine kruden und menschenverachtenden Songs zu reden, da hast du gekniffen. Jetzt sehe ich im Internet, dass du davon träumst, mit mir zu sprechen. Und in deiner Phantasie stellst du dir vor, dass ich zu dir sage: "Hey, Bushido, wie waren denn die Titten damals von deiner Mutter? Als du als kleiner Junge daran gesaugt hast." Und du würdest mir antworten: "Ey, Fotze! Fick dich ins Knie!"

Hallo?

Seit wann habe ich pornografische Phantasien mit stillenden Müttern? Die hast du! Und genau das ist dein Problem.

Das Fass mit mir machst du jetzt auf, weil dein Film läuft. Und da kannst du jede Werbung gebrauchen. Was läge da näher, als ein öffentlicher Fight mit Alice Schwarzer?

Ich tu dir den Gefallen aber nicht. Denn, ganz ehrlich: Ich kann dich nicht ernst nehmen. Du redest viel von Ehre und Respekt, aber du redest davon, wie der Blinde von der Farbe.

Und jetzt ist es dir noch nicht einmal zu blöd, für deinen PR-Gag auch noch obszön über deine eigene Mutter zu labern. Dabei liebst du sie doch angeblich so. Nicht zuletzt, weil sie ein Leben lang bedingungslos – zu bedingungslos? – zu dir gehalten hat.

Ja, schon klar, Bushido: Du bist irgendwie zerrissen. Zwischen dieser deutschen, ergebenen Mutter und diesem tunesischen, abwesenden Vater. Der war schwach - aber stark genug, deine Mutter regelmäßig zu verprügeln.

Und welche Lehren hast du Muttersohn daraus gezogen? Die, gewalttätige Männer zu verachten? Nein, im Gegenteil: Du identifizierst dich mit dem Täter! Auch du verachtest die Frauen. Wir sind für dich nur Fotzen, die man von hinten fickt.
Deine Idole sind gewalttätige, "echte" Männer. Männer, wie Arafat Abou Chaker, nach deiner eigenen Aussage "einer der mächtigsten und berüchtigtsten Männer Berlins". Das sieht die Polizei genauso.

Dieser libanesische Clanchef hat dich vor sechs Jahren auf deine Bitte hin aus dem Knebel-Vertrag mit deiner alten Plattenfirma Aggro rausgehauen. Vermutlich auf seine Art. Jetzt bist du in seinem Label ersguterjunge GmbH sein Goldesel. Humor scheint er zu haben, dein Arafat.

Mit ihm bewohnst du jetzt samt Mama und vielen, vielen stiernackigen Bodyguards anscheinend eine Villa im biederen Lichterfelde. So heißt es in den Medien. Da grillst du, schneidest die Hecken und hörst Depeche Mode. Okay. Ich gönn es dir. Nur erzähl uns nichts vom Ghetto, von Verzweiflung und Ehre.

Dein Leben war, abgesehen von ein paar Ausrutschern, immer eines auf dem Sofa. Du bist als Anis Mohamed Youssef Ferchichi im kleinbürgerlichen Berlin-Tempelhof aufgewachsen und hast das Gymnasium kurz vor dem Abi geschmissen. Es folgten Drogen, Heim und eine Lehre als Anstreicher (mit Bestnote abgeschlossen). Nicht so aufregend, klar.

Da bist du auf den Trichter mit dem Gangsta-Rap gekommen. Aber der Punkt ist: Du siehst nur so aus. Du spielst nur. Der einzige echte Gangsta in deiner Nähe ist vermutlich dein Beschützer Arafat.

Du aber tust dir nur selber leid und bist von Mutters Rockzipfel nie weggekommen. Ganz wie die verunsicherten Jungs und Mädels, denen du deinen 80.000-Euro-Stundenlohn beim Konzert verdankst.
Jetzt gehst du also Mainstream in Berliner Salons, trägst steingraue Edeljackets und dinierst mit deiner Filmmutti Hannelore Elsner im Borchardt oder machst Smalltalk mit CSU-Seehofer. Der hält dich vermutlich, ganz wie dein midlifekrisender Filmproduzent Eichinger, für ein Sesam-öffne-dich zur rebellischen Jugend.
Du bist aber nur ein kleinbürgerlicher Spießer, der die echt Verzweifelten abzapft. Also ganz ehrlich, Bushido: Respekt kann ich davor nicht haben.

Es grüßt dich und vor allem deine Mutter
Alice Schwarzer*


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