Lamberts Tacheles
 

Krause kommt zur Kurzstrecke

28. Juni 2023

Einen Mann wie Pierre M. Krause hätten wir damals in der Schule wohl "Professor" genannt. Menschen im pubertären Alter waren nun mal oft recht einfach gestrickt. Krause ist eher unscheinbar. Ein schlaksiger, stets gut gekleideter Mann, der immer ein wenig so wirkt, als würde er über heiße Lava laufen - schlaksig eben. Doch seine Unscheinbarkeit ist zugleich seine Stärke. Eben weil er KEIN "Alphatier" ist, bekommen seine Gäste und Gesprächspartner Raum. Pierre M. Krause wird oft als "Geheimwaffe des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks" bezeichnet und diese Formulierung zeigt trefflich das Problem. Er sollte nicht geheim sein. Er sollte die Waffe des ÖRR sein! Oder die Pfeilspitze, um im militärischen Kontext zu bleiben...

Pierre M. Krauses Humor ist besonders lakonisch. Er nimmt jedes Wortspiel mit. Jeden Wortfetzen auf dem Elfmeterpunkt knallt er mit einer bewundernswerten Kaltschnäuzigkeit in den Kasten. Ab und an warnt er vor, wenn ein Wortspiel besonders "flach" kommt und das macht ihn so schön "kumpelhaft". Überhaupt ist Krause unprätentiös. "Mit dem würde ich gerne mal einen Abend um die Häuser ziehen", denkt man sich. Doch laut seiner eigenen Aussage hat er sehr wenige Freunde, fühlt sich manchmal auch „falsch“. Das versteht man deutlich, wenn man bereit ist, ihm zuzuhören. Und seine Formate, „Kurzstrecke“ und „Krause kommt“, laden dazu ein, zuzuhören. Man lernt Menschen kennen. Und für diese Menschen und Begegnungen nimmt sich Krause Zeit. Ein Tempo, das heute manchmal wie „aus der Zeit gefallen“ scheint. Gleichzeitig ist es, unter anderem, dieses Tempo, das seine Formate für mich ausmacht.

In der "Kurzstrecke" begleitet Krause, unterstützt von einem kleinen Kamerateam, prominente Persönlichkeiten bei alltäglichen Erledigungen und Unternehmungen. Dies führt zu interessanten Situationen und einer beeindruckenden Authentizität. Menschen zeigen sich einfach so, wie sie sind. Zumindest scheint es so.

Es ist Krauses Art, die seine Gäste "ehrlich" macht. Er gibt ihnen stets Raum und möchte sie entdecken - das beeindruckt mich sehr. Bei "Krause kommt" ist das Konzept ähnlich. Dort besucht er seine Gäste in ihren eigenen vier Wänden. Indem die Gäste in ihrer Komfortzone bleiben, wird es einfacher, die Menschen hinter den vermeintlich bekannten Fassaden zu erkennen.

Pierre M. Krause kann sowohl ernst als auch unterhaltsam, tiefgründig und albern sein. Und das alles absolut authentisch. Meiner persönlichen Einschätzung nach kennt er selbst beide Seiten - Höhen und Tiefen, Euphorie und Depression. Das macht ihn für mich zu einer einzigartigen Perle in der Entertainment-Welt. Denn solche Entertainer, die beide Facetten zeigen und nicht zu stolz sind, auch dann als Clown aufzutreten, wenn sie sich nicht danach fühlen, sind selten.

Geheimwaffe? Pierre M. Krause ist für mich der ewig unterschätzte Entertainer, dessen Zurückhaltung ihn manchmal daran hindert, sich in der Welt zu behaupten, die er eigentlich dominieren sollte. Ich wäre gerne sein Freund. Nicht zuletzt, um ihm in dunklen Momenten sagen zu können: "Du bist fantastisch! Und du bist gut, so wie du bist. Sei stolz auf dich!" Er würde dann wahrscheinlich lachen und einen Witz machen. So ist er eben. Und ich mag das sehr.

Best Of "Kurzstrecke"


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