Lamberts Tacheles
 

Liebe Letzte Generation

06. Juli 2023

Liebe Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation,

bevor ich Worte an euch richte, möchte ich klarstellen, dass ich auf eurer Seite stehe. Was ihr fordert, unterstütze ich. Auch ich halte ein Tempolimit längst für überfällig und kann nicht nachvollziehen, dass wir noch immer das einzige Land in Europa sind (und vermutlich bleiben), das es nicht einführt.

Wir müssen jedoch über eure Vorgehensweisen sprechen. Wenn man nicht gehört wird, radikalisiert man sich – diesen Punkt verstehe ich. Und ihr WERDET gehört. Es entstehen laute Diskurse. Ihr erregt mit euren Aktionen Aufmerksamkeit. Meiner Ansicht nach adressiert ihr jedoch die falschen Personen und erzeugt damit vor allem Ablehnung und Unverständnis. Aber lasst mich das kurz weiter ausführen.

Ihr gehört überwiegend zur "Generation Z". In der Regel befindet ihr euch in einer Altersgruppe, die in den Regierungsparteien wenig bis überhaupt nicht vertreten wird. Die Abgeordneten (m/w/d) der Ampelparteien sind deutlich älter. Sie stammen eher aus den Generationen X und Y. Besonders bei der Klimapolitik wird das deutlich. Fristen liegen oft 20 bis 30 Jahre in der Zukunft. Die Dringlichkeit der Situation ist zwar grundsätzlich bekannt, sollte aber möglichst jenseits der aktuellen Legislatur gelöst werden. Und das macht ein entscheidendes Problem deutlich. Solange ihr selbst nicht die Möglichkeit habt, die Politik AKTIV zu gestalten und zu verändern, habt ihr keinerlei Einfluss. Und das ganz unabhängig von euren Aktivitäten. Noch deutlicher formuliert: Solange der Lobbyismus einflussreicher ist als ihr es seid, wird sich nichts bewegen. Und Geld ist IMMER einflussreicher als Aktivismus.

In einer konservativen Wirtschaftspolitik ist Ökologie nur dann erstrebenswert, wenn sie Profit für die Unternehmen bringt. "Energieoffenheit" wird da gefordert. "Der Markt regelt das alleine". Ein Tempolimit brächte keinen Profit. Im Gegenteil. Es würde der Automobilindustrie erheblichen Schaden zufügen. Gerade im "Automobilland", das Deutschland mal war. Wir sind das Land der Autobahn. Das Land von Porsche, Mercedes-Benz, BMW und Audi. Ein Tempolimit scheint hier absolut ausgeschlossen. Daran ändert auch ein Klimawandel nichts.

Natürlich rate ich euch nicht dazu, eure Organisation einzustampfen und stattdessen einen Kleintierverein zu gründen. Vielmehr würde ich euch raten, anders zu adressieren. Nervt nicht die Berufspendler (m/w/d), Kraftfahrer (m/w/d) und das Sicherheitspersonal in Museen. Sucht den Dialog mit der Politik. Klärt die Menschen auf. Holt die Gesellschaft auf eure Seite. Denn eure Seite ist die "richtige". Daran gibt es keinerlei Zweifel.

Radikalisiert euch nicht weiter, sondern erkennt, dass IHR SELBST die Macht erlangen müsst, Dinge zu verändern. Das ist, ganz ohne Frage, ein langer und steiniger Weg. Aber der einzig richtige und nachhaltigere.

Es grüßt euch respektvoll,
Euer Hannes


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