Lamberts Tacheles
 

Psychogramm in zwei Akten

04. Oktober 2024

Vor einigen Tagen saß ich mit meiner Tochter im Kino, gespannt auf den zweiten Teil eines Films, der bereits 2019 das Publikum spaltete: "Joker: Folie à Deux". Das Sequel setzt dort an, wo der erste Teil endete – doch bevor ich tiefer darauf eingehe, möchte ich einen Blick zurück auf den ersten Film werfen, der für mich noch immer als visuelles Meisterwerk in Erinnerung bleibt.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – Bildsprache und Farbenpracht

Die Bildsprache beider Filme ist überwältigend. Jede Szene ist wie ein Gemälde, detailverliebt und symbolträchtig. Die Farben – in ihrer tristen, aber zugleich intensiven Darstellung – spiegeln die düstere Innenwelt von Arthur Fleck wider, einem gebrochenen Mann, der versucht, in einer Gesellschaft, die ihn verachtet, seinen Platz zu finden. Joaquin Phoenix’ Darstellung von Arthur, der letztendlich zu Joker wird, ist nichts weniger als atemberaubend. Die Art und Weise, wie er Emotionen durch minimalistische Gesten vermittelt, lässt einem den Atem stocken. Besonders beeindruckend ist, wie Phoenix diese Figur körperlich transformiert – die Szene, in der er vor dem Spiegel tanzt und seine Bewegungen trainiert, brennt sich tief ins Gedächtnis ein.

Auch in "Joker: Folie à Deux" bleibt diese visuelle Kraft bestehen, doch diesmal betritt der Film musikalisches Neuland. Während Kritiker den Film vorschnell als „Musical“ abgestempelt haben, sehe ich die Musik eher als eine zusätzliche Erzählebene. Die Musiknummern unterbrechen nicht die Handlung – sie verstärken sie, geben ihr eine surrealistische Note. Natürlich kann man diskutieren, ob jeder Song wirklich nötig war, aber insgesamt empfinde ich es als eine Bereicherung, die sich harmonisch in das Gesamtkunstwerk einfügt.

Lady Gaga und Joaquin Phoenix – ungleiche Partner

Was mich im zweiten Film jedoch verwundert hat, war die Besetzung von Lady Gaga als Harley Quinn bzw. Harleen „Lee“ Quinzel. Gaga ist eine starke, charismatische Künstlerin, aber gegen die übermächtige Präsenz von Joaquin Phoenix verblasst sie regelrecht. Phoenix dominiert jede Szene, in der beide aufeinandertreffen, und es wirkt, als könne sie ihm schauspielerisch nicht das Wasser reichen. Anstatt als gleichwertige Partner zu fungieren, bleibt Gaga leider in seinem Schatten. Es stellt sich die Frage, ob diese Rolle für sie wirklich die richtige Wahl war, zumal Harley Quinn in der bisherigen DC-Welt stets als kraftvoll und komplex dargestellt wurde.

Ein Psychogramm, kein Superheldenfilm

Nun zu einem der kontroversesten Aspekte beider Filme: Warum müssen sie unbedingt im DC-Universum verankert sein? Bereits beim ersten Teil war klar, dass dieser Film kein klassischer „Joker“- oder gar „Batman“-Film ist. Es gibt keine übertriebenen Actionsequenzen, keine Superhelden-Narrative – und das ist auch gut so. Stattdessen sehen wir ein tiefgründiges Psychogramm eines Mannes, der mit seiner psychischen Erkrankung und der Kälte der Gesellschaft zu kämpfen hat. Doch durch die Verknüpfung mit dem DC-Franchise wurden Erwartungen geschürt, die zwangsläufig zu Enttäuschungen führten.

Besonders im zweiten Teil wird noch deutlicher, dass dieser Joker nichts mit dem klassischen DC-Schurken zu tun hat, den man aus Comics oder früheren Verfilmungen kennt. Folie à Deux ist weniger ein DC-Film als vielmehr eine tiefgehende Charakterstudie, die das Innenleben von Arthur Fleck weiter auslotet. Es wäre vielleicht besser gewesen, die Filme als eigenständiges Werk zu betrachten – losgelöst von der DC-Maschinerie, die sie kommerziell zwar zu Erfolgen gemacht haben, aber künstlerisch unnötig einschränken.

Ein riesiger Flop?

Dass Folie à Deux bereits als Flop gilt, war abzusehen. Die DC-Fans, die nach klassischer Comic-Action lechzen, bleiben fern. Sie wollen den finsteren Antihelden, aber ohne das psychologische Drama. Und genau hier greift eine bestechende Metaebene im aktuellen Sequel. Dreht sich doch Folie á Deux genau darum. Arthur möchte den "Joker" nicht mehr geben, nach dem die Welt aber verlangt. Das Publikum wendet sich von ihm ab. Sie wollen den starken Antihelden mit Schminke. Arthur begreift immer mehr, dass er nur wegen seines Alter Egos existiert. Und er zerbricht an dieser Erkenntnis. Doch für mich – und viele andere, die die Filme als mehr als bloße Unterhaltung sehen – sind beide Werke trotz allem Meisterwerke. Sie bieten ein außergewöhnliches visuelles Erlebnis, mit einem Hauptdarsteller, der wohl für immer in Erinnerung bleiben wird.

Fazit: Ein filmisches Meisterwerk

Am Ende bleibt zu sagen: Wer von "Joker" und "Joker: Folie à Deux" einen DC-typischen Actionfilm erwartet, wird enttäuscht. Wer jedoch bereit ist, sich auf ein Psychogramm einzulassen, wird reich belohnt. Beide Filme sind visuell atemberaubend, Joaquin Phoenix’ Spiel ist schlichtweg überragend, und die Inszenierung von Todd Phillips bleibt lange im Gedächtnis. Ich verneige mich vor Phoenix und Phillips – sie haben zwei Filme geschaffen, die nicht nur unterhalten, sondern tief berühren und nachdenklich machen.


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