Lamberts Tacheles
 

Raab und das tote Pferd

10. April 2024

Die alte Überheblichkeit

Elton im Ruderboot und Stefan Raab fischend am beschaulichen See: Die beiden Spots gingen viral, und es gibt wohl kaum jemanden im deutschsprachigen Raum, der sie nicht auf einer der vielen Social Media-Plattformen gesehen hat. Ziel der faszinierenden Aktion war es, 9 Millionen Follower auf Instagram zu erreichen - ein Vorhaben, das von vornherein aussichtslos schien. Betrachtet man die Instagram-Zielgruppe, kennen die meisten Stefan Raab gar nicht. Dennoch schaffte es die TV-Legende, auch mit der Unterstützung zahlreicher Influencer- und Streaming-Größen, knapp an die 3-Millionen-Marke zu gelangen. In wenigen Tagen und quasi aus dem Stand erreichte er diesen Erfolg, der mehr als beachtlich ist und ein klares Zeichen setzt: Hier bin ich!

Am 29. März erschien dieses Video:

Drei Tage später, am 1. April 2024, folgte das zweite Video:

Stefan Raab war aber eigentlich nie wirklich weg. Er wechselte lediglich die Seiten der Kamera. Als Produzent war er auch nach seinem Rückzug aus der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin aktiv in Projekten wie "Das Ding des Jahres", "Schlag den Star", "Schlag den Besten" und dem "Free European Song Contest" (#FreeESC) sowie an der sehr erfolgreichen Wiederbelebung seines Kult-Formats "TV Total" beteiligt. Über diese Entwicklungen habe ich in diesem Blog bereits berichtet. Ende 2023 trennte sich Stefan Raab nicht nur von seiner Erfolgsfirma Raab TV, sondern auch von sämtlichen Rechten an seiner TV-Vergangenheit – ein medialer Rundumschlag, der für Furore sorgte. Tritt er jetzt in die wirkliche TV-Rente ein? Im Gegenteil. Raab legte nur den Ballast ab, um für den nächsten Sprint Anlauf zu nehmen.

Neustart mit "Übergewicht"

Das Jahr 2024 begann mit einer Paukenschlagmeldung in der Fernsehwelt: Stefan Raab und Daniel Rosemann, der ehemalige Kopf hinter ProSieben und Sat.1, gründeten die Produktionsfirma Raab Entertainment GmbH. Diese Zusammenarbeit symbolisiert mehr als nur ein neues Kapitel in Raabs Karriere; sie markiert die Vereinigung zweier TV-Mächte, die bereit sind, die Grenzen der konventionellen TV-Unterhaltung zu überschreiten. Der Name "Raab Entertainment" deutet darauf hin, dass das lineare Fernsehen in Raabs künftigem Berufsfeld möglicherweise eine untergeordnete Rolle spielen wird, angesichts seiner Neigung, stets den richtigen Riecher zu haben. Aktuelle Gerüchte über die mögliche Fokussierung der neuen Firma auf den Streaming-Markt erscheinen daher plausibel. Doch dieser Markt ist hart umkämpft, und ein neues Angebot muss sich deutlich von bestehenden abheben, um Erfolg zu haben. Interessanterweise wurde die letzte große Raab TV-Produktion "Schlag den Besten" nicht an JOYN, den Streaming-Dienst von Raabs ehemaligem Stamm-Sender ProSieben, sondern an den privaten Streaminganbieter RTL+ verkauft, der die Staffel dann auch linear ausstrahlte.

Die Mission: Einzigartigkeit

Raab Entertainment plant nicht, sich auf den Lorbeeren vergangener Erfolge auszuruhen – schon gar nicht ohne die erwähnten Rechte. Die Firma präsentiert sich als kreative Schmiede mit dem Ziel, Bewegtbild-Inhalte für eine breite Palette von Sendern, Plattformen und Kunden zu erstellen. Mit dem klaren Vorhaben, unverwechselbare Konzepte und Ideen zu entwickeln, sucht Raab Entertainment nach Talenten, die diese Vision umsetzen können. Offene Positionen, wie die der Aufnahmeleitung für Shows und die des Executive Producer, verdeutlichen den ambitionierten Ansatz, sich vom Einheitsbrei abzuheben. Bisherige Annahmen, es ginge "nur" um Inhalte für bestehende Infrastrukturen, könnten durch neue Gerüchte in einem anderen Licht erscheinen. Insbesondere das bevorstehende Großevent im September – der "finale" Boxkampf zwischen Regina Halmich und Stefan Raab – wirft Fragen auf: Wo werden die fast 3 Millionen Follower das Ereignis verfolgen können? Gehen Übertragungsrechte an einen Sender oder einen Streaming-Dienst? Die hohen Eintrittspreise deuten darauf hin, dass eine Refinanzierung (durch Werbung oder Übertragungsrechte) des Events vielleicht gar nicht nötig ist...

Angenommen, die Spekulationen bewahrheiten sich und Raab Entertainment tritt direkt in den Streamingmarkt ein, könnte dieses Großevent eine ideale Gelegenheit sein, Abonnenten für die neue Plattform zu gewinnen. Dies leitet über zu einer spannenden Überlegung: Wenn nicht vorproduzierte Inhalte, sondern LIVE-Events die Zuschauer anziehen, könnte der neue Streaming-Dienst möglicherweise weit ambitionierter gedacht sein. Kürzlich ließ der bekannte Live-Streaming-Papst MontanaBlack ("Monte") durchblicken, dass JOYN versuchte, Vorverträge mit namhaften Streaming-Akteuren in Deutschland zu schließen, möglicherweise als direkte Konkurrenz zu Twitch (gehört zu US-Riese Amazon). Die in Aussicht gestellten Summen sollen dabei beträchtlich gewesen sein – ein Hinweis auf einen potenziell lukrativen Markt... Und dieser Markt ist, im Gegensatz zum VOD-Streaming ("Video-on-Demand" - also vorproduzierte Inhalte, die man abrufen kann, wenn einem danach ist) nahezu monopolistisch besetzt. Noch... Wer, wenn nicht das Team Raab / Rosemann könnte diesen Markt gewaltig aufmischen?

Ein Zukunftsblick: Was steht bevor?

Die Zukunftspläne von Raab Entertainment bleiben geheimnisumwoben. Stefan Raab, seit 2015 nicht mehr aktiv vor der Kamera, ist für seine Diskretion bekannt. Die Spannung ist dennoch spürbar: Welche neuen Formate oder Geschäftsfelder könnten entstehen? Die Kombination aus Raabs Kreativität und Rosemanns strategischem Können lässt Großes für die deutsche Medienlandschaft erwarten. Und bei diesem Duo sind die Erwartungen hoch. Und die Verkündung des bevorstehenden Box-Events hinterließ ein merkwürdiges Vakuum. "Der ganze Zauber wegen eines einzigen Boxkampfes?"... "Das war es jetzt? Das ist das große Comeback?"... "NWSDWH" steht mit schwarzen Buchstaben auf Raabs Kappe im Video. Ein Hinweis auf die nächsten Schritte? Das Netz spekuliert wild. Schnell kommt heraus, dass diese Buchstabenfolge bereits als Marke geschützt wurde - von Raab Entertainment selbst.

Der Markenschutz erfolgte in unzähligen Klassen. Darunter Kuriositäten wie die Klassen "29: Fleisch und Fleischerzeugnisse" oder "14: Juwelier- und Schmuckwaren aus Edelsteinen; Unechte Schmuckwaren; Ringe [Schmuck]; Schmuckketten; Schmuckwaren; Armbanduhren; Business-Uhren; Chronografen [Uhren]; Digitale Uhren.". Doch über die Klassen wird auch deutlich, wohin die Reise ebenfalls gehen könnte. Denn dort sind auch die Klassen "38: Streaming von Daten", "43: Catering" oder "45: Vergabe von Lizenzrechten an Film-, Fernseh- und Videoproduktionen [juristische Dienstleistungen]; Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten; Lizenzierung von Software." zu finden.

Fazit: Ein vielversprechender Horizont

Die Gründung von Raab Entertainment durch Stefan Raab und Daniel Rosemann signalisiert ein spannendes Comeback. Mit dem Fokus auf Innovation könnte das Unternehmen die Medienwelt neu prägen. Die Branche wartet gespannt auf die ersten Projekte, die Raabs Vermächtnis fortsetzen und neu definieren könnten.

Ein Nachtrag...

Kaum war dieser Blog-Beitrag geschrieben, gab Pro 7 feierlich bekannt, dass es bei "Schlag den Star" eine Neuerung geben wird. Die Moderation der LIVE-Sendung werde ab Juni 2024 (wieder) Matthias Opdenhövel übernehmen. Und in der Pressemeldung klang es irgendwie, als habe sich Elton zu diesem Schritt entschieden. Kurz darauf wurde klar - Elton wurde schlicht rausgeschmissen. Gut eine Woche nach der medialen Aufmerksamkeit um Stefan Raab, an der ja auch er direkt beteiligt war. Angeblich keinerlei persönliche Gespräche im Vorfeld - nach 23 Jahren Senderzugehörigkeit. Elton erfuhr durch die Medien davon. In der Pressemeldung gab es noch wenige, aufgesetzte Dankes-Worte und das Thema Elton war abgehakt. Dieses Konzern-Verhalten ist bodenlos... Elton war schon in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr DAS "Sendergesicht" von Pro 7. "1, 2 oder 3" für das ZDF, "Wer weiß denn sowas?" für die ARD oder "Blamieren oder Kassieren" und eben "Schlag den Besten" für RTL. Dennoch merkte man, dass ihm "Schlag den Star" immer sehr am Herzen lag. Umso verständlicher ist nun seine enorme Enttäuschung. Diese Kälte überrascht mich nur bedingt. Mit diesem Kapitel kommt ein weiterer, kleiner Wendepunkt in diese ohnehin schon spannende Geschichte. Denn "Karma is a bitch"...


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