Lamberts Tacheles
 

Serdar Somuncu

27. November 2011

Der Hassprediger mit harter Schale und weichem Kern

Serdar Somuncu ist längst Kult. Er las Hitlers "Mein Kampf", hält sämtlichen Kulturen den Spiegel vor und hat eine Art von Humor, bei der einem oftmals das Lachen im Hals stecken bleibt. Bei ihm ist die Grenze zwischen Komödie und Kabarett fließend. Doch der studierte Schauspieler, Regisseur und Musiker scheut auch die offene Diskussion nicht. Bei einer Lesung in Sachsen kam es zu einem Zwischenfall mit Neonazis. Als sich das erste Chaos gelegt hatte, bat er die Störung für eine offene Diskussion auf die Bühne - vergeblich. Vermutlich hätten sie sich an Somuncu auch die Zähne ausgebissen. Er entlarvt stumpfsinnige Propaganda schon bevor sie ausgesprochen werden kann.

Und in der Rolle des "Hasspredigers" gefällt er sich. Laut und aggressiv redet er über die Themen, die die Mehrheit zwar bewegt, die aber als moralische Tabuthemen gelten. Integration, Judentum, Hitler - kein Eisen ist ihm heiß genug, um nicht geschmiedet werden zu können.

Umso verwunderlicher ist, dass eben dieser Serdar Somuncu nun ein Musik-Album veröffentlicht hat, das man wunderbar in das Genre "Schlagerpop" einordnen kann. Seichte Texte, getragene Melodien, eine beinahe engelsgleiche Stimme. Hier erwartete man wohl mehr Auflehnen, mehr Anarchismus... Zwar gibt es auf dem Album "Dafür kommt man in den Knast" auch Nummern wie "Sushi Muschi" und "Friss meine Scheisse", aber diese Titel klingen härter als sie sind. Das Album jedoch schon im Vorfeld in Grund und Boden zu kritisieren, wäre sicher falsch. Der Fehler liegt nicht am Künstler. Das Problem ist wohl die Erwartungshaltung, die man an ihn hat. Somuncu selbst sagt, der "Hassprediger" ist nur EINE seiner Rollen. Er selbst wäre introvertierter, weniger angriffslustig. Und so versteht sich das Album und die eingeläutete Gesangskarriere wohl auch als weitere Facette des Multitalentes Somuncu.

Bewertet man es auf diese Weise, dann ist "Dafür kommt man in den Knast" durchaus hörenswert. Wobei ich zugeben muss, dass ich den "Hassprediger" (der nun zwangsläufig kürzer treten wird) extrem vermissen werde. Wer sonst schmiedet nun die GANZ heißen Eisen?


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