Lamberts Tacheles
 

Stimmen ohne Lobby

07. Mai 2011

Wie deutsche Radiosender die Vielfalt zerstören

Robbie Williams, Rhianna oder Usher - der Mainstream bestimmt unsere Radiolandschaft. Immer mehr Radiosender setzen auf massentaugliche Produkte, um bei möglichst wenigen Hörern anzuecken. Dabei wirbt jeder zweite Sender mit der "wirklich und ehrlich komplett wahren Vielfalt" - die wenigsten Sender halten sich tatsächlich daran.

Hält man sich längere Zeit in Skandinavien auf, wird der Unterschied deutlich. Die sogenannten "Mainstream"-Sender spielen größtenteils eine reizvolle und vielfältige Mischung aus Jazz, Blues, Charts und Rock. Genreübergreifende Bereicherung, die gleich mehrere Hörerschichten unter einem Dach vereint.

2004 entwickelte ich meine Sendung "Nachtexpress", die sonntäglich auf RauteMusik.FM, Europas größtem Internetradio, lief. Vielfalt war mir in dieser Sendung besonders wichtig und Titel aus den Charts fanden selten bis gar nicht statt. Alternativ stellte ich Künstler vor, die man hierzulande meist nur in Kreisen der Musikliebhaber kannte. Während Künstler wie Susan Tedeschi oder auch Josh Kelley nur in Übersee Beachtung finden, sind sie hier nahezu unbekannt. Ein Umstand, der mir bis heute vollkommen schleierhaft ist. Doch auch innerhalb Europas haben wir große Künstler, die es selten bis nie in den Äther schaffen. Ben l'Oncle Soul (Frankreich) oder Tina Dico (Dänemark) stehen für überragende, musikalische Qualität, müssen den Platz aber meist den Rhiannas und Robbie Williams dieser Welt räumen.

Grund für diesen Umstand könnte die "werberelevante Zielgruppe" sein, die zwischen 14 und 49 Jahren liegt. Gerade die jüngere Generation lässt sich selten von dem eigenen Musikgeschmack leiten, sondern ist noch von außen stark zu beeinflussen. So wird ein musikalischer Geschmack geradezu "infiltriert". Und dabei gibt es auch und gerade in dieser jüngeren Zielgruppe auch nennenswerte Vorbilder. Der amerikanische Blues-Musiker Jonny Lang gehört inzwischen selbst zur musikalischen Elite seines Genres. Doch seine großen Hits und seine ersten Alben schrieb und sang er im Alter von 13-15 Jahren.

Und ich weiß ganz genau, wovon ich rede. Als ich in der Pubertät überwiegend Mozart oder Elton John lauschte, wurde ich ausgegrenzt. Es war nicht akzeptiert einen eigenen und teilweise sicher auch eigenwilligen Geschmack zu haben.

Sicherlich ist die Entwicklung in der deutschen Radiolandschaft nicht neu. Doch wenn sich die (sowieso schon krisengebeutelten) stationären Radiosender immer weniger unterscheiden, wächst der Zulauf und Erfolg der virtuellen Alternativen. Internetsender, die inzwischen vom Hörer selbst und weitestgehend ohne äußere Reglementierungen gestaltet werden, könnten die Vielfalt bieten, die den traditionellen Sendern immer mehr abhanden kommt.

Und während sich die "werberelevante Zielgruppe" immer häufiger den Onlinesendern zuwendet, senden die stationären Sender weiter ihr Programm mit der "einzig wahren Vielfalt"… Schade drum!


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