Lamberts Tacheles
 

Wossi und die Wendelüge

19. August 2009

20 Jahre Wiedervereinigung und kein bisschen weise? Wie Ost und West sich das Leben schwer machen.

Dieser Tage kommt man an Berichten über die Wiedervereinigung nicht vorbei. Grund dafür wird wohl sein, dass sich die Vereinigung 2009 zum 20. Mal jährt. Für mich als “Wossi” Grund genug, Tacheles zu reden. Während die geografische Wiedervereinigung längst vollzogen ist, stehen wir bei der psychischen immer noch ganz am Anfang. Vorwürfe und Vorurteile sind der Alltag und beide “Seiten” benehmen sich, als ginge es um einen Rassenkampf. Und während man sich bei Stammesfehden in Afrika des Nachts gegenseitig die Rübe abschneidet und am Dorfeingang auf Pfähle steckt, werden die territorialen Konflikte hierzulande an Stammtischen oder auf der „Oliver Geißen“-Couch ausgetragen. Doch es gibt kein schwarz / weiß, kein gut / böse und auch kein richtig / falsch. Beide „Seiten“ treffen mit ihren Vorurteilen oft genau ins Schwarze. Ein Grund, warum die Wiedervereinigung (so schön sie in vielen Dingen sein mag) wohl nie vollkommen abgeschlossen sein wird.

Die „arroganten Wessis“ und die „assozialen Ossis“ finden immer genügend Argumente, um sich gegenseitig möglichst wenig wertschätzen zu müssen. Als „Wossi“ habe ich das ungemein wertvolle Privileg, die Argumentationen beider „Seiten“ erleben zu dürfen. Und während viele „Ossis“ einigen Errungenschaften der DDR-Diktatur hinterher trauern, werden sie zugleich von den „Wessis“ hämisch-überheblich belächelt. Sind diese gegenseitigen Erniedrigungen am Ende nur eine Art „gut gepflegte Hassliebe“?

Denken wir zum Beispiel an die Oderflut 1997 oder die Amokläufe von Erfurt und Winnenden – in diesen Momenten rücken alle Menschen zusammen und sind dann tatsächlich ein geeintes Land. Als „Wossi“, Waage und konfliktscheuer Diplomat hoffe ich, dass wir irgendwann allesamt begreifen, welch Meilenstein diese Einheit für uns alle war. Gegenseitiges Verständnis, gegenseitige Toleranz und der Wille, sich bewusst mit dem Gegenüber auseinandersetzen zu wollen, würden vielleicht Wunder wirken.

Wir sind (alle) das Volk!


Zurück zur Übersicht