Lamberts Tacheles
 

Xavier Naidoo

02. Juli 2011

Offener Brief an Gott

*Lieber Gott,

in den vergangenen Jahren hatten wir ja immer wieder unsere Probleme miteinander. Während ich dich immer in der Verantwortung sah und sehe, diese (von dir geschaffene!) Welt im Auge zu behalten, werden deine Anliegen hier unten von Menschen vertreten, die Paläste bauen, um dir gerecht zu werden. Du wirst daher verstehen, dass ich deine Existenz ein wenig in Frage stelle.

Wenn ich dann jedoch deinen "singenden Missionar" Xavier Naidoo höre und dessen Karriere verfolge, dann muss es da oben irgendwie wohl doch eine Art "Macht" geben, die ihm Menschen dieses unfassbare Talent geschenkt hat. Solltest du es selbst gewesen sein - meinen allergrößten Respekt dafür. Xavier fühlt jeden gesungenen Ton - er lebt die Musik. Offen gestanden kann ich persönlich nur seine Live-Alben hören. Die durchweg elektrischen Arrangements seiner Studioalben werden seiner fantastischen Stimme in keinster Weise gerecht. Live hingegen wird er von einer Band begleitet, die auf seinem Niveau spielt und erst dadurch werden seine Lieder zum maximalen Hörgenuss.

Xavier und du - ihr werdet doch sicher des Öfteren miteinander sprechen, nicht wahr? Vielleicht kannst du ihm von mir bei Gelegenheit weitergeben, dass er auch bei seinen Studioalben AUSSCHLIEßLICH auf seine Band und weniger auf die elende Technik setzen sollte. WENN er Ratschläge entgegennimmt - dann doch sicher von dir. Verpacke es in einer Art Vision oder so. Du machst das schon.

Und nun noch kurz zu uns... Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich habe kein direktes Problem mit dir. Doch solange in deinem Namen jeden Tag unzählige Menschen sterben und du dies quasi "duldest", kann ich kein Mitglied deiner Vereine sein. "Gott zeigt uns nur den Weg - gehen müssen wir ihn selbst". Diesen Satz habe ich immer dann gehört, wenn ich kritisch hinterfragte, warum du dieses viele Leid auf der Welt tolerierst. Doch wenn du allmächtig bist und es sogar schafftest, dass dein Sohnemann einst quietschfidel aus dem Steingrab schlenderte, dann hast du auch die Macht und die Pflicht, deinem Gefolge hier unten zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ansonsten könnte ich den Eindruck gewinnen, dass du deinen Laden nicht mehr im Griff hast.

Deine imposanten Gebäude hier unten sind beeindruckend und ich sehe sie mir unglaublich gerne von innen an. Doch die Intoleranz, die hier unten in deinem Namen gepredigt wird, traue ich dir nicht zu. Du hast keine Vorbehalte gegen Homosexuelle... Du würdest dir keinen Marmorpalast bauen... Auch am Sex aus purer Lust und Freude hättest du sicher den meisten Spaß, richtig? Im Titel "Ich glaube" von Reinhard Mey wird dein (vermutlich) wahrer Charakter so viel besser beschrieben als in jedem ehrfürchtigen Choral. Und vermutlich würdest du tatsächlich mit den Obdachlosen unter der Brücke schlafen, anstatt dich in edle Gewänder zu hüllen und durch Marmorsäle zu schlendern.

Du hast uns unser zweites Kind genommen und machst uns auch sonst das Leben nicht immer leicht. Natürlich mache ich dir keine Vorwürfe. Es wäre nur lieb, wenn du nach den vielen Aufgaben und Herausforderungen der letzten Jahre auch Mal wieder an uns denkst. Und wenn du uns schon nicht helfen kannst/willst. Dann tue bitte was gegen die vielen Pfeifen, die hier unten in deinem Namen Unfug treiben. Ich wäre dir wirklich sehr verbunden.

Nun höre ich zum wiederholten Mal "Bitte hör nicht auf zu träumen" von deinem Buddy Xavier Naidoo. Der Junge hat es drauf. Denk' an unsere Abmachung und mach dir einen schönen Samstagabend.

Es grüßt dich herzlich
Dein Hannes*


Zurück zur Übersicht